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Ausstellung
18.06. - 27.06.2010
Reinhard Wöllmer, Papierobjekte
in der Spitzweed-Scheune
Schulstraße 25, 90574 Roßtal
Zu den Arbeiten von Reinhard Wöllmer
Klarheit und Präzision sind die Begriffe, mit denen sich die
Arbeit von Reinhard Wöllmer spontan verbinden lassen.
Wenn Sie die hier gezeigten Werke anschauen, werden Sie erkennen,
dass das vorherrschende Motiv der Kreis und seine Abwandlungen ist.
Im Detail zeigt sich, dass der eigentlich in sich ruhende Kreis
durch unterschiedlichste Eingriffe in Spannung versetzt wird.
Im Wesentlichen benutzt Reinhard Wöllmer dafür die Linie,
die als Kante oder Einschnitt verwendet wird und eine Fläche,
die als kontrastierender Farbeinsatz oder als Durchbruch auftritt.
Im Folgenden beziehe ich mich auf die großen Papierarbeiten.
Wiewohl einiges ebenso für seine Schnittarbeiten und Collagen
gilt. In diesen kleineren Arbeiten reduzieren sich die Palette und
die Räumlichkeit und der malerische Aspekt tritt zu Gunsten
einer eher grafischen Ausrichtung zurück.
Reinhard Wöllmer verwendet Zellulose, um diese als pigmentierten
Farbbrei zu durchgefärbten Flächen zu verarbeiten. Aus
diesem Material, man könnte von Halbzeug wie in der Metallverarbeitung
sprechen, entstehen reliefartige, wandbezogene Arbeiten. Auch die
Formung dieses Materials verbindet sich mit der Arbeit eines Silberschmieds
oder eines Karosseriebauers, denn er benutzt ebenfalls einen Hammer
um die Flächen zu wölben.
Diese signalfarbigen, größtenteils monochromen Farbflächen
erscheinen als Bildfigur auf der Wand und verorten damit Wöllmers
Auseinandersetzung in die Nachbarschaft des deutschen Künstlers
Imi Knoebel oder des Amerikaners Ellsworth Kelly, der sich in den
1970er Jahren auch mit Papier als Farbmaterie auseinandersetzte.
Angesichts dieser Arbeiten wird ein wichtiger Aspekt des Papiermaterials
offenbar; es bietet dem auftreffenden Licht auf Grund seiner Oberflächenstruktur
genügend Angriffsfläche. Dadurch werden dem Betrachter
unterschiedlichste Farbqualitäten zurückgesendet, und
es kommt bei frontalen Lichtverhältnissen zu einer tiefenräumlichen
Ausdehnung der Farbe.
Diese texturierten Flächen werden zum Teil auch als geordnete
Struktur umgesetzt, was den Flächen einen eigenen Charakter
verleiht oder die Komposition unterstützt. Dem vorhandenen
Licht des Ausstellungsraums kommt dadurch eine wichtige Bedeutung
bei der Wahrnehmung der Arbeiten zu.
Um auf diesen ortsspezifischen Aspekt zu reagieren hat Reinhard
Wöllmer für seine Arbeiten unterschiedliche Hängepositionen
eingeplant, die die Werke so in gewissen Grenzen unabgeschlossen
und variabel machen.
Ebenso erhält der Betrachter eine wesentliche Rolle. Durch
die Veränderung seines Standpunkts im Raum erscheint die Figur
auf dem Grund der Wand immer wieder neu und vermittelt so die eigne
Bewegung im Raum als Farberlebnis. Hierbei wird deutlich, dass es,
wie so oft in der Malerei, unmöglich ist, eine adäquate
Darstellung per Katalog zu erreichen und bestätigt die Notwendigkeit
einer Erfahrung am Original.
Die hier verwendete Reduktion der formalen Mittel stellt Reinhard
Wöllmers Arbeit in eine bildnerische Tradition, die mit den
russischen Konstruktivisten der 1920 Jahre und der de Stijl - Gruppe
in Holland beginnt. Sie führt über Teile der Farbfeldmalerei
der 50 er 60 er Jahre in eine gegenwärtige Ausdrucksweise konkreter
Kunst.
Die zuletzt beschriebenen Merkmale verbinden Reinhard Wöllmers
Arbeiten mit Jan Schoonhoven einem der wichtigen Vertreter der holländischen
Gruppe Nul.
Auch Schoonhoven hat mit seinen papierbezogenen Arbeiten die monochrome
nur lichtmodulierte Bildfläche in den Mittelpunkt seiner Arbeit
gestellt.
Beide Künstler arbeiten reliefartig und verbinden den Inhalt
der Bildfläche mit der Außenform der Bildfläche,
wobei sich Schoonhoven stärker am Tafelbild orientierte, während
man Wöllmers kreisförmige Arbeit als ein - Konkretes Tondo
- bezeichnen kann. Das Tondo war im 16. Jahrhundert zur Zeit der
Renaissance äußerst beliebtes rundes Bildformat in Malerei
und Architektur.
In der Entwicklung dieser Werkgruppe zeigt sich eine fortschreitende
Verräumlichung der Arbeiten, durch die Verwendung von mehreren
Schichten und dem Verschwinden der prozessualen Materialkante.
In letzter Zeit werden die Durchbrüche offener und machen die
darunter liegende Wand verstärkt zum Dialogpartner des Farbobjekts,
das sich als Lichtmodulierte Farbfigur auf der Wand zeigt. Die Beleuchtung
und Verschattung der Farbflächen verbindet sich mit den Schatten
und dem Licht auf der Wand und dehnen das Bildgeschehen auf die
gesamte Wandfläche aus. Gerade die verschiedenen Schattenorte
in Wöllmers Arbeit zeigen, wie unterschiedlich und kontrastreich
der Schatten eingesetzt wird.
Die Ausrichtung von Wöllmers Auseinandersetzung wird deutlich:
es geht um Malerei.
Farbe als gemalte Farbe, die handschriftlich malerisch auftritt,
ist dabei nicht sein Feld, sondern eine ambitionierte monochrome
Malerei, die das rahmengestützte Bildgeviert und die Inhaltlichkeit
des Materials schon hinter sich gelassen hat.
Ihr Charakteristikum ist die durch ortsspezifische Beleuchtung modulierte
Farbe, die mit dem Untergrund interagiert. Der Künstler schafft.
zuerst die konstruktiven Bedingungen, damit danach das Licht malen
kann. Reinhard Wöllmer. lässt die Bildfigur als Farbobjekt
vor und mit der Wand agieren.
Damit arbeitet er im Zentrum einer nichtabbildenden Malerei, die
sich immer wieder mit der Frage nach dem Bild und seinen Bedingungen
beschäftigt.
"Das Sehen gewinnt sein fundamentales Vermögen zurück,
mehr als es selbst zu manifestieren und zu zeigen. ... Es geht nicht
mehr darum, vom Raum oder vom Licht zu sprechen, sondern den Raum
oder das Licht, die da sind, sprechen zu lassen."
Zitat Günther Uecker in: Wiehager, Renate (Hrsg.): "Zero
aus Deutschland 1957-66 und heute" A.-Kat. Villa Merkel, Esslingen
Verlag Hatje Cantz 2000
Askan Hertwig
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