Poetische Erkundungen um eine gesetzte Mitte



In den jüngsten Arbeiten entfernt sich Reinhard Wöllmer zunehmend vom assoziativen und erzählerischen Bildinhalt, von Wiedererkennungseffekten im Bereich der fomalen Anleihen (wie Masken oder orientalische Muster), und auch das Ornament gibt seine Vorherrschaft auf.
Geringfügigkeit im Sinne von Reduktion ist entscheidend und hat Vorrang, denn sie steigert die Schlichtheit der Bild-Objekte, reizt die Empfindlichkeit der Wahrnehmung und macht sie produktiv.

Deshalb ist es ihm so wichtig, dass die Bilder an ihren Rändern‚ ein- und ausatmen', dass sich das Geschehen, zwar über den Bild-Körper gespannt, dennoch am Rand ereignet. Dabei ist Rand freilich auch als Mitte gemeint, denn die inneren Verschiebungen der "Kreis-im-Kreis-Formen" (Arbeiten aus den Jahren 91/92, H.P. Miksch) sind in den neuen Werken durchbrochen, lassen den Ausschnitt offen und die dahinterliegende Wand sichtbar werden.

Dies zeigt sich sehr schön in der Wand-Arbeit, bei der die farbigen Ränder durch Brennen entstanden sind (S.17). Einerseits ist da das Abklingen an die ursprünglich
streng linear-geometrische Form mit ihren organisch-filiganen Rändern, andererseits aber auch eine wohltuend gesteigerte Experimentier- und Spiellust, ein Drang nach optischer Pointierung. Was erkennbar besteht, ist freilich die durchdachte Präzision in Verbindung mit der konstruktivistischen Grundtendenz. Dementsprechend eröffnen diese fast puristisch wirkenden Arbeiten ihre Poesie erst bei eingehender Betrachtung. Aus der stringenten Gegenüberstellung von Form (Kreis) und Material (gefärbtes Papier) ergeben sich die schnörkellosen und durch Konzentration auf das Wesentliche gekennzeichneten Arbeiten, die es dem Betrachter abverlangen, sich in eine Art meditative Stille zu versetzen, um die elementaren Beziehungen aufzuspüren.

Mann kann nicht sagen, daß die Arbeiten von Reinhard Wöllmer die Wand (den Raum) besetzen, sondern sie bewohnen, sie beleben sie (ihn). Diese farbigen Bild-Körper stehen in einer Wechselbeziehung mit einer ihnen eingeschriebenen, ja angeborenen Struktur, die die Qualität des Materials Papier nicht nur einbezieht und umformt, sondern sie mit Geschmeidigkeit und Schwung ausstattet.

Es ist dem Künstler durchaus gelungen, seine Werke mit jener Aura zu versehen, die sie aus der Kälte des Objekts in die Wärme des Subjekts zu übersetzen vermag.

Auf diese Weise reflektiert das Bild als Objekt "die Einheit von Innen und Außen als Indifferenz von Fläche und Raum" (Wolfgang Siano).
Reinhard Wöllmer unternimmt ein frische und kreative Suche und suggeriert und bietet mit seiner Arbeit neue Wege für die künstlerische Sprache.


Petra Weigle, Leiterin des Kunsthaus Nürnberg

Der Katalog wurde mit Mitteln des Programms der Bayerischen Staatsregierung für Künstler und Publizisten vom Juni 1998 erstelt.

© Reinhard Wöllmer
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